Faustulus. Roman in drei Teilen

von

Peter Kasser

Blumen

© 1995, HEINRICH Verlag & Vertrieb Schweiz, ISBN 3-9520796-2-6



English

Home

Welcome

Peace Manifesto

Global Peoples Convention

Global Peace Index

Peter Kasser

Words of Peace

Links

Site Map

   
   

Deutsch / German

Friedensmanifest

Peter Kasser

Renz

James-Story

Faustulus

pflügt der Landmann der pflügt

Wende

Die Neue Moral

Winter 13

Die Exponierte Weltgeschichte

Kalender-Reform

BGE
Bedingungsloses Grundeinkommen

Leseprobe



Vor Tempeln (noch vor der Grabschrift) beteten sie und führten Tänze auf - in wildem Reigen rund um das Feuer - und stiessen Schreie aus: 'Iiiiua-hua-hua-hua-äiiiiiua-hua-hua-hua-äiiiii!' in ihrer Ekstase, um böse Geister zu vertreiben und gute zu versöhnen, die sie im Hain wussten: 'Iiiiiua-hua-hua-hua-äiiiiii!' und immer weiter, mit zuckenden Gliedern im Feuerschein, die ganze Nacht hindurch -
- und andere betraten Schiffe, die sie in die Ferne rückten - um den Kult auszuführen, damit dieser auch anderen diene in dunkelhöligen Gewölben - in glühender Verzückung hinter den Luken, an denen Fische vorbeizogen, beseelte Wesen mit stummen Mündern und staunenden Kugelaugen -

'Ade!'
'Ich bleibe!'

- alles Rauch und trockener Staub, wo immer man hinblickte, und mit diesem betäubenden Lärm im Hirn: 'hüiii-hüiii-hüiii-hüiii! - Bam! Bam! Bam! Bam!' als läuteten Schiffsglocken und sirenten Nebelhörner um die Abfahrt zu verkünden: die Abfahrt zurück, wo es sie gab und wo man sie brauchte, wie es in den Schriften hiess - nicht krank und gezwungen, mit reichen Geschenken eingedeckt; sondern freiwillig, mit leeren Händen - um den Göttern zu dienen, die sich das alles ersannen: iiiiiua-hua-hua-hua-äiiiii! - Bam! Bam! Bam! Bam!' - wie Trommeln im Urwald, ohne Motoren, die zu Fuss herumtanzten als hätten sie Pferde, oder Besenstiele -
- um den Priester im roten Gewand mit seinen gewundenen Hörnern - der die Hymnen auswendig sang und nicht aus den Büchern las - da er den Sündern gewogen war und die Hörner mit Wein füllte: 'iiiiua-hua-hua-äiiiii!' zum Hokuspokuseinmaleins närrischer Giftmischer:

                          Rattenzahn und Fliegenpilz
                          Und Frosch und Mückenflügel,
                          Gärt zu einem dicken Filz
                          und kommt in meinen Kübel!

- während man Heilkräuter suchte und sich vor Krallen in Acht nahm: 'Bam! Bam! Bam! Bam!' und die glotzende Augen anstarrte die nicht zu einem Walfisch gehörten obschon alles nass war: nass vor Schweiss klebrig und süss wie die Beeren -
- auf windiger Fahrt durch den Wald sausend und im Liftstuhl hochfahrend zu den Gefilden beschwingter Idyllik, zu den symphonischen Bildern von zirpenden Grillen und Hörnern und krachenden Fichtenbäumen, die es im Sturm zerschlug - sowie kräftigen Brüllern: 'hooouuuaah!' die mit Füssen stampften und schweissüberströmt Arme emporhoben in ihrem Trancekampf: die sich der Kleider entledigten und wie besessen, mit blutig-weissen kugelnden Augen herumstierten: mit heissem Gesicht dürstend nach Stille lechzten ('Bam! Bam! Bam! Bam!') und Geister beschwörten, die in den Ästen rührten und durch heulendes Gezweig entwischten -
- durch Heiden und Moore, durch Nacht und Sturm galoppierend wie auf Pferdefüssen, Irrlichtern nach: 'hüiiii-hüiiii! - ein Freund? - hähähähäh - hüiiii!' - im Rausch gestikulierend, heiter, lärmend, in brausendem Wirbel und trunkenem Wahn: 'Hooouuuaah!! - Brram! Bram! Bram! Bram! - hüiiiii!!!' die lüsterne Schar, die sich dem Taumel hingab und brüllend durch die Hörner stiess -

"Ja, mein lieber Freund, Ihre Drüsen haben da ein arges Fieber! Das kommt vom allzu vielen Pfeifen, wissen Sie! Ich muss Ihnen dringend Ruhe raten; und ja nur keinen Alkohol! Sonst ist da gar nichts mehr zu machen! Am besten gehen Sie gleich ins Hospital - das wird nun nämlich schlimmer werden!"

- in die windige Klus, wo der Küster am Altar sass in Erwartung der Dinge, die er kommen sah: Blut und zappelndes Fleisch - und eine blühende Seele, die sich beschwingt enthob - ein Opfer der Tat, die im Feuer starb, von Gift durchdrungen und von einem Pfeil durchbohrt, der in seinem Leib stak -

'Mit Liebe, für dich - und das Hemd auch ins Feuer!'

- während Jahren gewirkt und in Farben getränkt, die in Zyklen wiederkamen - wenn Besucher zu Hause waren wie in engeren Nestern, die schwindelnd in die Höhe reckten - : Weg mit Grenzen und niedrigen Erden, den Entscheid einem Gericht - zu verfügen was gehörte und was nicht: in letzter Instanz ein Gesicht: das spiegelnde Ebengewicht - das die Erlösung - das Glück - das Paradies verspricht!

'Alles muss weg! So geht das nicht!'

- wo es pocht (Bam! Bam!') und giert ('hüiiii!') hinter verschlossenen Türen - mit dem Schlüssel verstimmt - in Tüchern verhungernd, blutig verdreckt der schmierige Wurm, im fiebrigen Dunst -

'So, dieser Mann muss weg! Dies können wir hier nicht dulden!'
'Ich will nicht weg - allein, mir fehlt die Kraft zu bleiben!'


- zu Fuss oder beschwingt - zurück ins Ziel - in Gedanken vermengt - oder zerstückt auf Rache gesinnt -

- zurück in die Welt: das Grab erklimmt die birgige Platte ('Eine Eibe war's! Nicht Eiche: Eibe!') - begattet, bestattet - vermählt umschlungen in innigstem Trieb - erhöht - mit unerhörter Kraft in die Höhe getrieben, höher und höher, in die Wolken - in eisige Winde, über den Firn, gefrierend, nie wieder schmelzend, in ewig verstummender Geschiedenheit -

- nicht so, sondern auf Bahnen und Wegen kreuzend sirenend durch die Strassen jagend (bam! bam! bam! bam!) und nach der Richtung zielend ('ääiiiiii! - ääiiiii!'), an den Rand hinan, hinaus, hindurch und aussen herum die Runde im Kreise beschreibend in irrigem Reisen -

'Ich will!'

- zu einem Mittelpunkt, wo sich die Strömung sammelt; davor ein Tor: riesig: in windigem Schwarz gähnend: ein eckiges Maul, wie ein saugendes Rohr - das sich öffnet, schliesst, und öffnet - durch das er hindurchschlüpfte -

(Wie in ein Meer tauchend: kalt: schwitzend - ohne kaum etwas zu sehen; ein wallendes Wogenmeer, das sich im Wind bewegt -
- aber trocken - heiss: blendend weiss - und hohl raspelnd: windig - ohne Ausdehnung, aber unendlich: ohne Richtung - )


*




Auf dem Platz stampften sie Korn, droschen auf Ähren ein - TAM!TAM!TAM! - und die Spreu flog im Wirbel über die Köpfe und schweissigen Rücken - auf und ab! - die sich über diese Arbeit beugten, im Takt, auf und ab - TAM!TAM!TAM! - stampften sie ihre Keulen; und andere schauten zu, im Kreis sitzend und lachend, im Takt klatschend, voller Anteilnahme konzentriert den Rhythmus schlagend - TAM!TAM!TAM! - in überschäumendem Gemeinschaftsdrang - als wären es sie, die da stampften.
"Dort ist dein Platz, Koreya!" riefen sie einer jungen Frau zu, die eben aus einer Hütte trat; "nimm ihn ein und mach mit, sonst gibt es nichts zu essen!"
Und andere trugen Korn herbei und warfen es auf den Boden, und spornten kräftige Arme an, dass sie darauf schlugen:

'Tanzt, ihr Frauen, holt die Früchte, backt uns deft'ge Brotgerichte!'


                           Traubenmost und Kuchenbissen
                           Dienen göttlichen Genüssen!
                           Tanze, wer nicht müde ist,
                           Als ob er sterben müsst - äiii!
                           Iiiä-iiiä-iiiä-iiii!
                           Als ob er sterben müsst - äiii!

Daneben lasen sie Reben von den Weinstöcken und füllten sie in Bottiche, in denen Füsse spritzten: pralle Tropfen, die in engem Verband an Zweigen hingen - wie Schweiss der Natur im kühlen Morgengrauen, der durch den Stengel stieg. Und der Saft schwoll in Strömen unter den Füssen, platzte durch Häute und ergoss sich in die rote Brühe und zischte wie lebendiges Feuer hervor.
"Dies wird ein Wein, wenn die Sonne so scheint!" frohlockten sie, während sie die schweren Zapfen herbeibrachten. "Das wird man noch im Winter feiern!"
Und schon tanzten sie rund um die Wanne und lüpften die Beine in erwartungsvoller Lust, sowie die Erquickung floss; und im Chor stimmten sie ein Loblied an auf den Gott, der ihnen die Trauben gebracht:

                          Dir, oh erlesner Traubengeist,
                          Du Gott der Fruchtbarkeit!
                          Wir singen, weil du uns erneut 
                          Mit deinem Wein erfreust!
           
                          Günstig sei uns heut gesinnt, 
                          Wenn wir dein Lob besingen, 
                          Damit, was wir verkünden,
                          Bald die ganze Menschheit rühmt!

"Trinkt! Trinkt! Ersäuft das Feuer, wenn es nichts zu essen gibt! Trinkt, als ob ihr sterben müsst - äiii!
Ersäuft das Fieber - schwitzt, als ob ihr sterben müsst - äiii!
Iiiä-iiiä-iiiä-iiii! Als ob ihr sterben müsst - äiiii!"


Sie kreisten in Scharen um den symbolischen Stab, an dem sie sich orientierten (mit gewundenen Blättern gewirkt und mit einem Zapfen geschmückt) - den eine in die Höhe hielt - Koreya war's! Ihre schmucke Anmut brachte ihr grosses Ansehen ein, sowohl unter Männern wie auch unter den Frauen, die sie zu zuckender Hingabe anspornten - triumphierend und lüstern zugleich - und begehrend: nach den Früchten verlangend, die auf dem Stock hingen und verführerisch vom Ergehen sangen: vom totalen Erleben und göttlichen Einsehen in den wirkungsvollen Drang des Alls - das baumelnde Mittel, dem der Samen entsprang, die Milch der Natur - 'bim! bim! bim! errate, was ich bin! - das Wissen, das darin, ist nicht gering!'

                    Hinüüü - über, vergiss -
                        Rieselnde Drüsen bestreuen das Angesicht...
                    Darüüü - über, wiss - 
                        Bauen ihr heiteres Leben auf den Verzicht...

...flötete der Stab sein wiegendes Lied, sich in die Höhe windend: hinauf zur Frucht und zu den steinigen Kernen, aus denen die Vielfalt entsprang: in den Leib, das liebliche Heim, das die Wogen schützend beschirmte...

"Luft! Luft! Ich ersticke!"

...verstrickt - in feiner Bindung umstrickt und sondernd bedungen - ein Schlag - ein sanfter Stoss - ein hohles Ritzen lockt das Wasser hervor ('Nein! Nicht heim! Weg! Den Verzicht!') - das hinunter rieselt - als Wein, oder Milch - als blutender Schweiss, der das Werk vorantrieb - 'iiiiiäää - hoouuuaa!!') und abfliesst - nährend und säubernd, im Kreis geschnitten -

'Blut! Lasst uns Blut sehen!'

- herumstehend am Ende des Wegs der im Traum begann...

'Steig ins Wasser, ins eiskalte Wasser - das lindert den Schmerz!'

'Verdammtes Pack! Verwünschte Artgenossen!'
'Weh uns! Sie trachten nach unserem Leben!'
'Wir nehmen euch im Kreis der Alten auf!'

('Willst du zu uns, einer der unseren sein? Wir bieten dir Geborgenheit und Schutz im Fall von Schwierigkeiten - eine Zukunft! - und Verantwortung, als volles Mitglied unseres Clans - verstehst du? Zukunft! Verantwortung! Wir kämpfen für dein Glück!')

'Verlogene Bande! Geile Hurenböcke, ihr!'
'Lasst sie! Bald haben sie sich ausgetobt!'
'Ihr letzter Schrei der Auflehnung!'
'Verräterisches Lumpenvieh!'

('Nicht ins Land des Traumes, wo einst die Ahnen auferstanden: Zum heiligsten der Heiligtümer, das über alle andern ragt wie über öde Trauerländer, von Schutt und Tod durchsetzt: Dort wirst du deine Seele wässern!')




Friedenstaube zum Textanfang
Peter Kasser (zur Person)